Der Döner in meiner Straße
- niemand
- 14. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Eigentlich war ich zum Essen eingeladen gewesen. Ein ungezwungenes, verspätetes Frühstück mit lauter schillernden Menschen, die mich wirklich interessierten, aber ich hatte, aus mir jetzt unerklärlichen Gründen, abgesagt und ärgerte mich ein wenig darüber, denn nun saß ich allein in einem Döner Laden, unter einer Plastik Palme und neben einem unechten, viel zu üppig mit geschmacklosen, lila Christbaumkugeln behangenem Weihnachtsbaum. Das heißt, ich war nicht ganz allein. Ich saß an einem der seltsam im Raum verteilten braunen Tische, ein Espressobraun mit Wirbeln und Mustern, die man stark abstrahiert als eine Holzimitation durchwinken könnte, und mit Blick auf einen abgetrennten Raucherbereich, an dem zwei Gestalten scheinbar endlos auf ein und denselben Knopf der Spielautomaten vor ihnen drückten, bis ich mich ernsthaft zu fragen begann, wer von ihnen der Automat war. Die bunten Symbole auf dem Bildschirm drehten sich immerzu, und wollten partout nicht drei gleiche werden, eine Lichterkette zuckte traurig und ohne jeglichen Rhythmus, ähnlich wie ein kaputter Roboter, auf den jemand ein Glas Wasser gegossen hatte, draußen schneite es zögerlich. Das ärgerte mich irgendwie. Alles und jeder in dieser Stadt, der zögerlich sein sollte, war es nicht und umgekehrt.
Mitten im Raum stand ein einzelner, himmelblauer Heizpilz. Er erinnerte mich an R2D2 aus Star Wars und schien mich unentwegt anzustarren, was mich irgendwann so gruselte, dass ich den Blick verstört abwand. Fehlte nur noch, dass der Fernseher in der oberen rechten Ecke des Raumes gleich irgendein nerviges und unverhältnismäßig lautes Musikvideo aus den 2000er Jahren abspielte. Star Wars, das wäre ein Kompromiss, den ich eingegangen wäre.
Ich aß einen Döner, und das mit dem gesamten Gesicht, und starrte auf die Plastikblumen und Servietten mit kitschigen Herbstmotiven vor mir, und auf blumengemusterten Kacheln, die eher in das Bad einer älteren Dame gepasst hätten, die dir von ihrem Dackel namens Muffin erzählt, und wie dieser sich vor zwei Jahren leider lebensbeendend an einem Stück Leberwurst verschluckt hatte. Dir selbst macht sie auch nur Leberwurstbrote, die du dann mit einem mulmigen Gefühl herunterwürgst. Auf einem Regal auf Kopfhöhe stehen Lufterfrischer, aufblasbarer Weihnachtsschmuck, und einige halbvolle Flaschen, deren Inhalt so ziemlich alles zwischen selbstgebranntem Schnaps und Körperflüssigkeiten sein könnte. Nichts passte in diesem Raum auch nur irgendwie zusammen, und ja, irgendwie ärgerte mich das.
Die Männer im Raucherraum tranken Bier, es war ein Uhr, ich trank Cola, und das Metall der Dose veränderte den Geschmack. Keiner von ihnen hatte Haare – ich schon, noch etwas nass vom Schnee. In blauer Schrift konnte ich auf dem Fenster zur Straße spiegelverkehrt die Worte Eis Cafe lesen, darunter Bilder von Currywürsten, Falafeln und Dönerspießen. Ich zählte eine Weile die Bahnen, die draußen vorbeizogen, und überlegte, welche dieser Plastikblumen ich wohl wäre. Es waren vier, und meine Wahl fiel widerwillig auf eine altrosafarbene Tulpe. Es war auch keine faire Wahl, sondern eine Wahl des kleineren Übels, und gleich ärgerte ich mich über meine unpräzise Fragestellung. Denn wäre ich eine Blume, dann wohl eine Kornblume, eine blaue, auf einer wilden Blumenwiese. Ich stellte mir R2D2 auf einer wilden Blumenwiese vor und ärgerte mich gleich schon weniger.
Die Männer hatten sich in der Zwischenzeit gesetzt und das Missverständnis mit den Automaten so für mich aufgelöst, denn die Automaten standen ja noch. Ich sah jetzt nur noch das obere Drittel ihrer Glatzen und ihren Zigarettenrauch aufsteigen. In diesem Moment ging der Fernseher doch an und meldete -1 Grad Außentemperatur. Ich wollte nicht so recht nach Hause, stand irgendwann dann aber doch auf. 6,50 hatte mich die letzte Stunde hier gekostet. In einer Stadt mit überdurchschnittlich vielen Dönerläden war der in meiner Straße wohl offensichtlich unterdurchschnittlich, und das ärgerte mich nicht im Geringsten, es reichte mir vollkommen.
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